Balthasar Hubmaier

Der Wiedertäufer aus Friedberg

 

  • "Unter allen Sekten, die von Luther ihren Ursprung genommen haben, hat keine ein schöneres Ansehen und eine grössere äusserliche Heiligkeit gehabt, als die der (mährischen) Wiedertäufer." Mit diesen Worten beginnt die Vorrede des Herausgebers der Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn. Und Beck fährt fort: "Andere Secten sind zu dem meresten Theil fast aufrührisch, blutdürstig und fleischlichen Wollüsten ergeben, nicht so die (genannten )Wiedertäufer! Sie nennen sich unter einander Brüder und Schwestern, sie fluchen nicht, sie schelten nicht, sie schwören nicht , sie brauchen keine Wehr und im Anfang trugen sie auch keine Waffen. Sie schlemmen und prassen nicht, sie gebrauchen keine Kleider, die weltliche Pracht anzeigen, sie haben nichts Eigenes, sondern Alles in Gemein."

    Einer der bedeutendsten Wiedertäufer ist Balthasar Hubmaier aus dem bayrischen Friedberg bei Augsburg. "Anno 1526 ist, nach viller verfolgung, von Waltzhut geen Nikolspurg im Märherlandt, komen: Doctor Walthasar Huebmaier, mit einer Menig volcks und den herrn von Lichtenstain, und alda ein gemain im geyst angefangen, mit grosser müe und arbait:" So beschreibt das Geschichtswerk der Hutterer den Beginn einer wiedertäuferischen Volkskirche in den liechtensteinischen Besitzungen in Nikolsburg/Mikulov, an der Poststrasse zwischen Brünn und Wien. "Da ist auch der Herr Leonhart von Liechtenstein, Herr auf Nikolspurg getaufft worden."

     

    Lehrjahre

    Zwischen 1480 und 1485 ist dieser große Gegner Habsburgs geboren. Er lernt auf der Augsburger Domschule. In Freiburg wird er 1510 Nachfolger von Eck als Direktor des Studentenkollegs Pfauenburse. Er folgt seinem Mentor Eck als Professor nach Ingolstadt und wechselt 1516 als Domprediger nach Regensburg. Das Geschichtswerk berichtet dann weiter, wie Hubmaier dort nicht nur zum Zeuge der Auseinandersetzungen mit der jüdischen Gemeinde wird. Hubmaiers Predigten richten sich nicht nur gegen jegliches Zinsnehmen, was der Lehre der Kirche entspricht, er scheint auch die antijüdische Stimmung aufzuheizen, denn man bringt seinen Fall 1518 vor den Reichstag und Hubmaier muß geloben, nicht an den Vorrechten der Juden zu rütteln. Es ist unterschiedlich bewertet worden, ob nun Hubmaier Motor oder Sprecher der Stimmung war, die zu den Ausweisungen im folgenden Jahr führte.

    Als bei den Abrissarbeiten an der Synagoge ein Steinmetz verunglückt, und der Todgeglaubte wieder aufsteht, beginnt an dieser Stelle der Kult der "Schönen Maria", dessen Förderer Hubmaier zunächst ist, der dann aber anscheinend von dem Treiben abgestossen wird.

     

    Waldshut

    Anfang 1521 wechselt Hubmaier in das vorderösterreichische Habsburgerstädtchen Waldshut. Damit beginnt der entscheidende Lebensabschnitt. Spätestens 1523 wendet er sich der Reformation zu. Die Chronik fährt fort: "Ist von Huldrich Zwingle vom Römischen glaueben auff sein opinion gezogen worden."

    Am Ende dieses Jahres fordert Habsburg erstmals eine Auslieferung Hubmaiers mit der Begründung, er sei lutherisch. Und jetzt beginnt der lange Einsatz dieser kleinen Stadt für ihrer Pfarrer. Zur Jahreswende missachtet man das Fastengebot, es ist die erste Überschreitung. Fronleichnam 1524 wird die Prozession zwar gehalten, jedoch wird das Altarsakrament ohne besonderen Schmuck getragen.

    Mit dem nun drohenden Krieg mit Habsburg hatte Waldshut zwei mögliche Verbündete. Da waren die Bauern und der einsetzende Bauernkrieg. Und dann unterstützte Zürich die Stadt. Hubmaier selbst hält sich in Schaffhausen auf, derweilen man in Waldshut die Messe auf deutsch liest.

    Das Jahr 1525 brachte Waldshut die Täuferreformation. Am 21.1. 1525 war es in Zürich zu den ersten Erwachsenentaufen gekommen. Zu Ostern werden 60 Erwachsene in Waldshut getauft. In Waldshut leitet Hubmaier dann ein "territoriales Täufertum". Wie in Zürich wird das Abendmahl in beiderlei Gestalt ausgeteilt.

    Doch die Dinge werden zunehmend von außen bestimmt. Der Kaiser siegt über die Franzosen bei Pavia, dieser hat nun die Hände frei und die Schweizer mussten ihre Unterstützung zurückziehen. Am 5.12.1525 ziehen die habsburgischen Truppen in Waldshut ein, 100 Leute sollen mit Hubmaier aus der Stadt geflohen sein.

     

    Nikolsburg

    Nach einem schweren Jahr in Zürich zieht Hubmaier über Augsburg nach Nikolsburg/Mikulov in Mähren. Es spricht Vieles dafür, daß er einfach seine Haut retten wollte.

    Hier hatte er seinen Drucker, und so sind viele seiner Werke in Nikolsburg gedruckt worden. In der Schrift "von der christlichen Taufe der Gläubigen" begründet er die Erwachsenentaufe, das Nachtmahl Christi wird als Gemeinschafts - und Gedächtnismahl gefeiert. Einen Katechismus hat er in Form eines Dialoges mit seinem Landesherrn verfaßt, genannt eine "christliche Lehrtafel". Darin werden die 10 Gebote aufgezählt, das Glaubensbekenntnis, die Erwachsenentaufe begründet und die brüderliche Strafe und der Bann besprochen. Daß ihm die Gemeindezucht wichtig war, sieht man an seinen Schriften "von der brüderlichen Strafe" und "von dem christlichen Bann". Schließlich ist er einer von denen, die von einer negativen Anthropologie ausgehen, wenn er von der brüderlichen Strafe schreibt: "Ye elter, ye böser. Es bessert sich nit, es bösert sich wol. Ye ölter, ye költer." Aber wie die Strafe nun genau aussah, da hatte er, wie alle auf diesem Gebiet tätigen, Probleme, das hat er letztlich offen gelassen. Da haben ihn Rigoristen kritisiert. Und keinesfalls hat er alle Bräuche verworfen, morgens, mittags und abends läuteten die Glocken.

    In Mähren ist man in dieser Zeit sehr zwinglianisch. Man verwendet folgendes Bild, um den Sinn der Taufe und des Abendmahles zu verdeutlichen: Ein Kranz vor einer Haustür besagt, es ist ausgesteckt, das heißt, es wird Wein verkauft. Der Kranz jedoch enthält keinen Wein. Genauso sind die Sakramente lediglich Zeichen. Auch Hubmaier argumentiert ähnlich. Kindertaufe und das ohne Glauben empfangene Abendmahl werden damit verglichen, wenn ausgesteckt ist, es ist jedoch nur eine Ankündigung.

    Die Geschichtsbücher der Wiedertäufer vermitteln auch etwas von den inhaltlichen Auseinandersetzungen der Wiedertäufer, besonders um das Schwert, also die Stellung zur weltlichen Obrigkeit. Ein Hans Hut ist es, der das Schwert ablehnt, die sog. "Stäbler;" im Schloß von Nikolsburg diskutiert man, Hut wird eingesperrt und dann gelingt ihm die Flucht. Hubmaier ist der führende Mann der "Schwertler", die Waffen und staatliche Gewalt, etwa gegen die nahenden Türken, nicht ablehnen.

    Doch dann wird der Druck des Böhmischen Königs Ferdinand immer grösser. 1527 wird Leonhart zu Ferdinand zitiert, im nächsten Jahr liefert er Hubmaier aus. Von Wien wird Hubmaier auf die Burg Kreuzenstein bei Kornneuburg gebracht, dort entsteht 1528 seine letzte erhaltene Schrift, die "Rechenschaft des Glaubens". Am 10.3.1528 erleidet Hubmaier den Feuertod mit den Worten: "O mein himmlischer Vater, o mein gnädiger Gott." Drei Tage später wird seine Frau, eine Waldshuter Bürgertochter, in der Donau ertränkt. Von seinen mitgefangegen Anhängern unterwarfen sich alle bis auf zwei, die ebenfalls auf dem Scheiterhaufen enden. Nach 1529 ist keine Spur mehr von Hubmaiers Anhängern zu finden.

    Die Geschichtswissenschaft hat es nicht leicht, das Phänomen der Wiedertäufer begrifflich zu fassen. Manche sprechen von Täufern, der radikalen Reformation oder der dritten Reformation. Viel zu unterschiedlich ist diese Bewegung neben der wittenbergischen und helvetischen Reformationsbewegung, als dass man sie wohl mit nur einem Namen benennen könnte. Und es ist wohl noch nicht das letzte Wort darüber gefallen, welchen Stellenwert darin Balthasar Hubmaier einnimmt.

     

    Die Hutterer

    1530 kommt ein Jacob Hutter aus Moos bei St. Lorenzen aus Tirol nach Nikolsburg. Nach ihm sollten sie benannt werden, die Hutterer, sie sind wehrlos und praktizieren Gütergemeinschaft.

    1622 müssen die letzten Wiedertäufer Mähren verlassen. Sie gehen zunächst nach Siebenbürgen und 1767 werden sie von der Zarin Katharina der Großen in der Ukraine angesiedelt. Als 1874 in Russland auch für die Hutterer die Wehrpflicht eingeführt wird, wandern sie in den US-Bundesstaat South Dakota aus. Während des 1. Weltkrieges verkaufen die Hutterer ihre Ländereien und gehen nach Kanada. Noch heute bestehen rund 465 Hutterer-Kolonien mit 60-150 Mitgliedern, die ihren süddeutschen Dialekt bewahrt haben.

    Horst Schinzel


    Literatur: Beck, Josef, die Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn 1525-1785, Wien 1883; Artikel Balthasar Hubmaier in Mennonitisches Lexikon; Bergsten, Torsten, Balthasar Hubmaier, Kassel 1961; Hubmaier, Balthasar, Schriften (Hg) Westin/Bergsten, Quellen zur Geschichte der Täufer IX, Heidelberg 1962.